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Bundestag beschließt neues Urheberrecht

Das „Zweite Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft“ hat am 06.07.2007 den Bundestag passiert. Es ist der sogenannte „Zweite Korb“ der Urheberrechtsnovelle. Der Bundesrat muss dem Gesetzentwurf noch zustimmen. Das Urheberrecht soll so – aufbauend auf die erste Novelle aus 2003 – weiter an die neuen technischen Möglichkeiten und Entwicklungen angepasst werden.
Die private Kopie nicht kopiergeschützter Werke bleibt weiterhin, auch in digitaler Form, erlaubt. Der Gesetzentwurf enthält aber eine Klarstellung: Bisher war die Kopie einer offensichtlich rechtswidrig hergestellten Vorlage verboten. Dieses Verbot wird nunmehr ausdrücklich auch auf unrechtmäßig online zum Download angebotene Vorlagen ausgedehnt. Auf diese Weise wird die Nutzung illegaler Tauschbörsen klarer erfasst. In Zukunft gilt also: Wenn für den Nutzer einer Peer-to-Peer-Tauschbörse offensichtlich ist, dass es sich bei dem angebotenen Film oder Musikstück um ein rechtswidriges Angebot im Internet handelt – z. B. weil klar ist, dass kein privater Internetnutzer die Rechte zum Angebot eines aktuellen Kinofilms im Internet besitzt –, darf er keine Privatkopie davon herstellen. Staatsanwaltschaften und Musikindustrie werden diese neuen Möglichkeiten sicherlich in größerem Umfang nutzen und Strafbefehle und Abmahnungen versenden. Denn was offensichtlich ist, werden die Gerichte entscheiden - sicherlich nicht allzu großzügig.
Es bleibt verboten, Kopierschutzvorrichtungen zu umgehen. Interessant ist hier rechtsvergleichend ein finnisches Urteil, das unter Umständen auch für andere europäische Länder von Bedeutung sein könnte: Ein Kopierschutz, der nicht wirksam ist, weil er umgangen werden kann, sei nicht schützenswert.
Das Bezirksgericht Helsinki hat am 25.05.2007 ein Urteil (Fall-Nr. R 07/1004) gefällt, das in der Technikszene Deutschlands Hoffnungen weckt. Demnach ist das Kopierschutzverfahren Content Scrambling System (CSS), das bei vielen Film-DVDs zum Einsatz kommt, kein effektiver Schutz gegen das Kopieren. Das Verfahren, das bereits 1999 erstmalig geknackt wurde, sei kein schützenswertes Verfahren im Sinne des finnischen Urheberrechts. Ob jemals ein deutsches Gericht zu solch einer Entscheidung gelangt darf bezweifelt werden.
Die Rechtsinhaber können ihr geistiges Eigentum durch technische Maßnahmen selbst schützen. Es gibt daher weiterhin kein „Recht auf Privatkopie“ zu Lasten des Rechtsinhabers. Dies ließe sich auch nicht aus den Grundrechten herleiten: Eine Privatkopie schafft keinen Zugang zu neuen Informationen, sondern verdoppelt lediglich die bereits bekannten. Der Käufer erwirbt nur die konkrete Kopie, nicht jedoch generelle Nutzungsrechte an deren Inhalt. Also ist es auch verboten, zum Schutz der kopiergeschützten Original-CD eine Unterwegs-CD zu brennen, um nicht das teure Original im Campingurlaub zu gefährden.
Als Ausgleich für die erlaubte Privatkopie bekommt der Urheber eine pauschale Vergütung. Sie wird auf Geräte und Speichermedien erhoben und über Verwertungsgesellschaften an die Urheber ausgeschüttet. Privatkopie und Pauschalvergütung gehören nach Auffassung des Gesetzgebers untrennbar zusammen. Allerdings ändert der Zweite Korb die Methode zur Bestimmung der Vergütung. Bisher waren die Vergütungssätze in einer Anlage zum Urheberrechtsgesetz gesetzlich festgelegt. Diese Liste wurde zuletzt 1985 geändert und ist veraltet. Eine gesetzliche Anpassung der Vergütungssätze wäre hier eine zu starre Lösung. Angesichts der rasanten technischen Entwicklung im digitalen Zeitalter müsste die Liste schon nach kurzer Zeit erneut geändert werden. Nach dem neuen Recht sollen daher die Beteiligten selbst, also Verwertungsgesellschaften und Verbände der Geräte- und Speichermedienhersteller, die Vergütung miteinander aushandeln. Mit diesem marktwirtschaftlichen Modell soll flexibler auf neue technische Entwicklungen reagiert werden können. Außerdem sollen Einigungen über die Vergütungszahlungen zügiger zustande kommen.
Sicher dürfte sein, dass diese Einigungen letztlich auf Kosten des Verbrauchers ausgehandelt werden, da die Gerätehersteller die Pauschalvergütungen einpreisen werden.
Vergütungspflichtig sind in Zukunft alle Geräte und Speichermedien, deren Typ zur Vornahme von zulässigen Vervielfältigungen benutzt wird. Keine Vergütungspflicht besteht für Geräte, in denen zwar ein digitaler, theoretisch für Vervielfältigungen nutzbarer Speicherchip eingebaut ist, dieser tatsächlich aber ganz anderen Funktionen dient.
Der Gesetzgeber gibt den Beteiligten nur noch einen Rahmen für die Vergütungshöhe vor. Sie soll sich nach dem tatsächlichen Ausmaß der Nutzung bemessen, in dem Geräte und Speichermedien typischer Weise für erlaubte Vervielfältigungen genutzt werden. Dies ist durch empirische Marktuntersuchungen zu ermitteln. Soweit nicht mehr privat kopiert werden kann bzw. darf, weil etwa Kopierschutz oder Digital-Rights-Management-Systeme (DRM) eingesetzt werden, gibt es auch keine pauschale Vergütung. Zugleich werden auch die Interessen der Hersteller der Geräte und Speichermedien berücksichtigt. Es gilt, dass deren berechtigte Interessen nicht unzumutbar beeinträchtigt werden dürfen und die Vergütung in einem wirtschaftlich angemessenen Verhältnis zum Preisniveau des Geräts oder Speichermediums stehen muss.
Die Novelle erlaubt es öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven erstmalig, ihre Bestände an elektronischen Leseplätzen zu zeigen. Neu ist auch, dass Bibliotheken auf gesetzlicher Basis Kopien von urheberrechtlich geschützten Werken auf Bestellung anfertigen und versenden dürfen, z.B. per E-Mail. Die Interessen der Verlage werden dadurch gewahrt, dass diese Nutzungsmöglichkeiten bestimmten Einschränkungen unterliegen. So ist die Anzahl der Vervielfältigungen eines bestimmten Werkes, die an Leseplätzen gleichzeitig gezeigt werden dürfen, grundsätzlich an die Anzahl der Exemplare im Bestand der Einrichtung geknüpft. Nur bei Belastungsspitzen darf darüber hinausgegangen werden. Bibliotheken dürfen Kopien per EMail nur dann versenden, wenn der Verlag nicht ein offensichtliches eigenes Online-Angebot zu angemessenen Bedingungen bereithält. Diese Einschränkungen sind zum Schutz des geistigen Eigentums der Verlage und Autoren erforderlich, denn der Gesetzgeber darf keine Regelungen treffen, die es den Verlagen unmöglich machen, ihre Produkte am Markt zu verkaufen. Bisher durften keine Verträge über die Verwertung urheberrechtlich geschützter Werke in einer Nutzungsart geschlossen werden, die es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht gab. Wollte der Verwerter das Werk auf diese neue Art nutzen, musste er mit viel Aufwand nach Urhebern oder ihren Erben suchen und sich mit ihnen über die Verwertung einigen. Nach dem Gesetzentwurf soll der Urheber über seine Rechte auch für die Zukunft vertraglich verfügen können. Dies liegt nicht nur im Interesse der Verwerter und der Verbraucher, sondern dient auch dem Urheber selbst. Sein Werk bleibt zukünftigen Generationen in neu entwickelten Medien erhalten. Der Urheber erhält eine gesonderte, angemessene Vergütung, wenn sein Werk in einer neuen Nutzungsart verwertet wird. Außerdem muss der Verwerter den Urheber informieren, bevor er mit der neuartigen Nutzung beginnt. Danach kann der Urheber die Rechtseinräumung binnen drei Monaten widerrufen. Mit einer parallelen Regelung wird auch die Verwertung schon bestehender Werke, die in Archiven liegen, in neuen Nutzungsarten ermöglicht. Eine öffnung der Archive liegt auch im Interesse der Allgemeinheit, weil sie gewährleistet, dass Werke aus der jüngeren Vergangenheit in den neuen Medien genutzt werden können und Teil des Kulturlebens bleiben.
Auch für den Bereich Film gelten neue Regelungen. Dort sind typischerweise zahlreiche Mitwirkende beteiligt. Schon bislang galt deshalb die gesetzliche Vermutung, dass der Filmproduzent im Zweifel das Recht erwarb, den Film in allen bekannten Nutzungsarten zu verwerten. Diese Vermutung wird jetzt auf unbekannte Nutzungsarten ausgedehnt. Im Gegensatz zu anderen Medien haben die Urheber hier aber kein Widerrufsrecht. Das gibt den Produzenten ausreichende Sicherheit beim Erwerb der Rechte.
Das Gesetz provoziert zusammenfassend den Vorwurf, die derzeitige Preispolitik der Musikindustrie, die anstatt mit günstigen Angeboten das Kopieren und Selberbrennen uninteressant zu machen, sich hinter Paragrafen, Kopierschutz und immer höheren Preisen versteckt, zu unterstützen. Kostete ein Album vor 10 Jahren noch 25,00 – 35,00 DM, sind heute Preise von über 20,00 Euro keine Seltenheit mehr. Zwar gibt es zahlreiche Künstler die einzelne Stücke oder gar ganze Alben frei im Internet zugänglich machen, selbstverständlich kann dies nur eine von mehreren Möglichkeiten sein. Richtig ist, dass der Urheber selbst entscheiden soll, wie er sein Werk zugänglich macht. Auch ist die Abgrenzung zwischen der privaten Nutzung der selbstgekauften CD, die eigentlich niemandem schadet, und dem Verbreiten von Kopien im Freundeskreis oder in Tauschbörsen, die den Urheber also um Einnahmen bringt, mit dem Kriterium des Kopierschutzumgehens nicht glücklich gelöst.
Im Zusammenspiel mit Gerichtsentscheidungen zur Haftung für das heimische WLAN dürfte auch künftig auf viele Jugendliche und ihre ahnungslosen Eltern Unheil in Form von Anwaltsoder Gerichtspost zukommen.
Eine Rechtsschutzversicherung kann hier unter Umständen hilfreich sein. Zwar übernimmt diese nicht die Strafverteidigung gegen die Vorsatzdelikte des Urhebergesetzes, aber die meist teurere Verteidigung gegen die zivilrechtlichen Ansprüche der Konzerne.
© Rechtsanwalt und Mediator Frank Richter 2011